Der Aussie aus meiner Sicht


Der Australian Shepherd... Eindeutig kein Hund wie jeder andere, aber genauso wenig das Monster auf vier Pfoten. Er stellt sich in so vielen verschiedenen Facetten dar und genau das ist es, was sein Rassebild derart ambivalent macht. Entweder man liebt diese Rasse mit all ihren Vorzügen und Herausforderungen, oder man verurteilt sie genau dafür. 

Ich möchte diese Seite nutzen um einen möglichst ehrlichen Bericht über den (Mini) Aussie aus meiner Sicht zu schreiben. Diese Texte basieren auf meinen Erkenntnissen, die ich seit 2007 mit der Rasse durch eigene Erfahrungen und durch das Kennenlernen vieler fremder Aussies sowie durch Erzählungen sammeln durfte. Vorweg sei gleich festgehalten: Die folgenden Berichte erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Meiner Ansicht nach ist es schlicht nicht möglich, einen Artikel zu schreiben, der den Australian Shepherd beschreibt, wie er ist. Und das schreibe ich aus einem einfachen Grund: Die Kombination verschiedener Linien, die sich in den einzelnen Hunden unserer Rasse vereinen bringen unglaublich unterschiedliche Charaktere hervor. Die Differenzen sind häufig so groß, dass man bei der isolierten Betrachtung des Wesens der einzelnen Individuen fast meinen könnte, man hätte Hunde aus zwei völlig verschiedenen Rassen vor sich. Dies zeigt einerseits die Herausforderung einer möglichst passenden Rassebeschreibung, andererseits aber auch den besonderen Anspruch an Züchter und Welpenkäufer bei der Wahl passender Anpaarungen. Eine Kenntnis der eigenen Ansprüche an das Leben mit dem Aussie sowie die Kenntnis der Eigenschaften die bei Welpen in verschiedenen Wurfplanungen zu erwarten sind, sind unerlässlich. Trotzdem bleibt jeder Hund ein Individuum, das sich ganz wesentlich so entwickelt, wie es in seinem Leben gehalten, erzogen, ausgelastet, gefördert und gefordert wird.

Bei all dem lässt sich eingangs weiterhin festhalten: Im Optimalfall unterscheidet sich der Miniature Australiann Shepherd einzig und allein in ein paar Centimetern Schulterhöhe von seinem großen Bruder. Aus diesem Grund gelten meine Berichte und Erfahrungen für den Standard wie für den Mini gleichermaßen.

 

 

Der hübsche Modehund

Ob auf Stadt-Ausflügen, normalen Spaziergängen, Fotoshootings, Ausstellungen oder anderen Ereignissen - ohne mindestens einmal einen verliebten Blick zu ernten, kommen wir, wenn wir mit unseren bunten Hunden unterwegs sind, meist nicht davon. Kommt man mit Rasseinteressenten ins Gespräch, lässt sich nicht selten feststellen, dass die Optik und besonders beim Mini zusätzlich die handliche Größe die Erwartung hervorrufen, sich mit dem Mini Aussie einen Hund zuzulegen, der stets nett mitläuft, die Kinder bespaßt und sich nebenbei auf Grund seines großen Will-to-Please ganz von alleine erzieht. Und selbst wenn Letzteres nicht eintreten sollte - alles halb so wild, einem kleinen hübschen Hund verzeiht das Umfeld doch mit Sicherheit sowieso alles. Ironie beiseite. All das Aufgezählte ist möglich, unsere Hunde laufen im Alltag mit, kommen mit Kinderm klar, haben Willen zu gefallen. Trotzdem erziehen sie sich nicht von selbst, wollen Grenzen gesetzt bekommen und regelmäßig physisch wie kognitiv ausgelastet werden.

 

Der vielseitige Arbeiter 

Damit sind wir auch schon beim größten Vorzug unserer Rasse. Egal ob wir auf den Hundeplatz kommen, ich zu Hause den Klicker oder draußen die Frisbeescheiben heraushole - bei all unseren Aussies schaltet sich in genau diesem Moment sichtlich ein Schalter um, eine riesige Motivation springt in die Augen unserer Hunde, der Fokus liegt plötzlich nur noch auf der Arbeitssituation, alles andere wird im Kopf völlig ausgeschaltet. Einsatz- und Anstrengungsbereitschaft, Ausdauer und Ernsthaftigkeit bringt der Aussie in Bezug auf die Arbeit im Optimalfall von ganz alleine mit. Nur mit wenigen anderen Rassen lässt sich die Arbeitsweise und Vielseitigkeit der (Mini) Aussies meines Empfindens nach vergleichen. Es ist einfach eine riesige Freude, zu sehen, mit welchem Eifer sie bei allem dabei sind, was man ihnen anbietet und wie schnell sie lernen.

 

Der Aufpasser

Genau so ernst wie die Arbeit mit dem Menschen, erlebe ich oft, dass der Aussie auch seinen Job als selbstständiger Aufpasser nimmt. Der Schutztrieb ist im Rassestandard fest verankert und doch ist diese Facette weitaus weniger bekannt als die des Will-to-please und seiner Arbeitsfreude. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass Schutztrieb weniger ernst zu nehmen ist oder nur seltener beim Aussie vorkommt. Im Gegenteil - meiner Erfahrung nach ist dies der Punkt, der früher oder später bei vielen Aussies zum Problem wird. Menschen die sich nähern, werden nicht mehr an Frauchen herangelassen, Besucher dürfen die Wohnung nicht mehr betreten oder wenn, dann sich nur still irgendwo hinsetzen. Oft einher geht mit dem Aufpasser-Dasein ein gewisser Kontrollzwang. Die Hunde beobachten jeden Schritt ihres Menschen, kommen dadurch nicht mehr zur Ruhe, leiden unter chronischem Stress, der irgendwann ein häufig sehr unangenehmes Ventil braucht. 

 

Der Hütetrieb

Den Aussie habe ich im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte als einen Hund kennengelernt, der je nach Vorfahren und Stammbaum mehr oder weniger stark ausgeprägten Hütetrieb zeigt. Hütetrieb ist hierbei nichts anderes als kontrollierbarer Jagdtrieb, dem der letzte Schritt des Packens und Erlegens der Beute fehlt. Es gibt demnach nicht wenige Aussies, die beispielsweise im Wald oder bei der Sicht von Katzen, Vögeln etc. deutlich jagendes Verhalten zeigen. Auch andere Bewegungsreize wie Jogger, Radfahrer oder Autos können ein Jagd-/Hüteverhalten der Hunde auslösen. Insgesamt sehe ich beim Aussie allerdings wenig Tendenz, auf kleinere und unauffälligere optische Reize wie Schatten, fallende Blätter oder ähnliches zu reagieren.

 

Der Unerschütterliche

Der zuletzt angesprochene Punkt führt uns zu einem weiteren Aspekt. Der Aussie ist in der Regel kein überempfindlicher Hund. Er nimmt vieles, sehr vieles in seiner Umgebung wahr, bricht aber dabei nicht schnell psychisch ein. Wie sicher einige Halter unserer Rasse bestätigen würden, würde wohl so manches Exemplar für seinen Menschen, für die Arbeit oder zum Schutz des Rudels durch Feuer gehen. Es sind keine Hunde, die schnell "kuschen", sich wegducken und andere machen lassen. Mit Kritik durch ihren Halter können sie bestenfalls gut umgehen, sie annehmen ohne dabei gleich großen Frust zu entwickeln. Sie sind sensibel, doch im Optimalfall nicht übersensibel.

 

Der Selbstständige

Betrachtet man die Arbeit der Aussies am Vieh, in der der Hund Situationen lösen muss, in denen er alleine vor einer Herde drohender Rinder steht, erklärt sich schnell, warum eine gewisse Eigenständigkeit für den Aussie lebenswichtig ist. Er ist stets bemüht, den Anweisungen seines Halters zu folgen. Dies erleichtert den Alltag ungemein und bringt große Freude, mit diesen Hunden zusammenzuleben. Kommt der Hund brenzliche Situationen gehört es aber ebenso zum Verhaltensrepertoire, auch selbstständig zu entscheiden, welches Verhalten nun das richtige ist und sich im Ernstfall auch dem Befehl seines Halters zu widersetzen.

 

Der Loyale

Es gibt wohl kaum eine Rasse, die so sehr zu seinem Halter steht. Arbeit? Nur mit Frauchen und Herrchen oder den Menschen, die man ohnehin ins Herz geschlossen hatte. Alltag? Doof ohne Herrchen. Ärger von Frauchen in Sicht? Ok, ich benehme mich schon. Meiner Erfahrung nach stellt der Aussie zwar durchaus auch mal unklar/unsicher gesetzte Grenzen in Frage, würde aber niemals eine "dann erst recht"-Haltung, wie ich sie beim Berner Sennenhund beispielsweise beobachten konnte, einnehmen. Überschreitet der Aussie Grenzen, dann tut er das nicht um seinen Menschen zu testen ider zu ärgern. Er übernimmt dann Aufgaben, die der Mensch aus seiner Sicht gerade nicht erfüllen kann. 

Der Aussie liebt seinen Menschen bedingungslos. Er weiß, zu wem er gehört und würde alles für einen tun. Der Mensch ist das Zentrum seines Lebens und es gibt nichts Wichtigeres für ihn, als seinen Menschen an seiner Seite zu haben. Er tut alles für einen und ist dadurch für jeden Spaß zu haben. Woran der Mensch Spaß hat, hat auch der Hund Spaß.

 

Ein Fazit 

Alle Aspekte kommen nicht von ungefähr. Denkt man an das Leben der alten Arbeiter-Aussies auf den Farmen wird schnell klar, wie funktionell all diese Eigenschaften sind. Vielseitig einsetzbar bei der Arbeit am Vieh: Ob Ente, Schaf oder Rind - der Aussie sollte sie hüten, dabei stehts motiviert und fokussiert bei der Arbeit bleiben. Eine gewisse Härte ist hierzu genauso erforderlich, wie Sensibilität fürs Vieh und die Kommandos des Hundeführers. Selbstständig in brenzligen Situationen zu entscheiden und sich gegebenenfalls auch mal dem Befehl des Herrchen zu widersetzen könnte in Anbetracht drohender Tritte von Rindern Leben retten. Den Hof zu bewachen, um ihn in den abgelegenen Gebieten vor Eindringlingen zu beschützen ist gleichfalls funktionell wie zuvor Genanntes.

 

Keinesfalls soll durch diesen Text ein falscher Eindruck entstehen. Wir lieben unsere Rasse über alles und für uns kann es in unserer jetzigen Situation keine perfektere Wahl geben. Die Motivation unserer Hunde, mit uns zu arbeiten, die Art und Weise, in der sie mit uns arbeiten, ihre ständige Bereitschaft, es dem Frauchen/Herrchen möglichst recht zu machen in Verbindung mit ihrer Vielseitigkeit und Alltagstauglichkeit ist für uns einmalig. Schlägt man den Bogen zurück zu meinen Worten im Eingang dieses Artikels, sind meiner Erfahrung nach auch genau diese Eigenschaften die, die all die verschiedenen Charaktere unserer Aussies miteinander vereint. Hier wird dann plötzlich doch wieder klar, was diese Rasse im Kern neben all ihren Differenzen zwischen den verschiedenen Linien und Individuen ausmacht.

 

Trotz allem möchte ich durch die Berichte von Herausforderungen, die unsere Rasse mitbringt für Transparenz sorgen. Die einen halten es für ziemlich dämlich, sich Käufer zu vergraulen, indem man das romantische Rassebild, das vielleicht bei einigen Interessenten im Kopf ist, zerstört. Die anderen, und dazu zähle ich mich, möchten für ihre Welpen das optimale Zuhause finden. Und dies sind nach meiner Ansicht aufgeklärte Menschen, die die Vorzüge der Mini Aussies schätzen, genau wie ich es tue, sich aber von Anfang an bewusst sind, dass auch einem hübschen kleinen bunten Hund Erziehung und Auslastung zusteht. Nur so kann ich sicher sein, dass meine Welpen keinem Modetrend zum Opfer werden, sondern in ambitionierte Hände gelangen.